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Macht es doch selber!

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Online-Gipfel auf den Medientagen München: Die Huffpo war auch hier Thema Nummer eins. Foto: Medientage München.

Gibt es noch neue Wortmeldungen zum Thema Huffington Post? Die Betonung liegt auf „neue“. Also „neu“ im Sinne von „noch nie gehört“. Das scheint nicht der Fall zu sein. Danke, dann können wir diesen Teil der Debatte jetzt abschließen und zum eigentlichen Punkt kommen: Was kann man von einer Medienmarke lernen, die von einem linksliberalen Meinungsführer zu einer Boulevard-Zeitung für Sehbehinderte Hyperopie-Patienten mutiert ist und trotzdem rote Zahlen schreibt? Eine Menge. Und die Huffington Post in ihrem heutigen Zustand macht es einem sogar leicht.

  1. Sehen wir der Realität ins Auge. Kostenlose Blog-Beiträge als Ergänzung zur klassischen Redaktion sind die Zukunft, ob wir das wollen oder nicht. Mehr als eine Milliarde Menschen produzieren kostenlose Inhalte für Facebook. Wollen wir diese Menschen wirklich daran hindern, kostenlose Inhalte für journalistische Medienmarken zu produzieren?
  2. Und jetzt kommen Sie ins Spiel. Sie werden jetzt vielleicht denken: „Journalistische Medienmarken sind aber was anderes als Facebook“. Ja, das stimmt. Zum Glück. Und genau darum müssen diese Medienmarken journalistisch mit kostenlosen Inhalten umgehen. Sie haben Redaktionen und diese Redaktionen müssen redigieren. Sie müssen eine Auswahl treffen. Sie müssen gute Texte noch besser machen, an mittelmäßigen arbeiten und schlechte zurückgehen lassen. Sie veröffentlichen keine Artikel, die mit „Die Konferenz an sich ist sehr lohnenswert, denn sie bietet sehr viele Networkingmöglichkeiten für Blogger sowie für Tourismusindustrievertreter“ beginnen. Sie brauchen keine DAX-Vorstände oder Gazprom-Chefs als Autoren, wenn deren „Gastbeiträge“ aus der Phrasenfabrik ihrer PR-Bürokratie stammen und ihre Namen darüber eigentlich Etikettenschwindel sind.
  3. Übrigens. Die Huffpo-Blogs bringen ihren Autoren noch nicht einmal große Reichweite. Selbst eine kleine B-to-B-Website wie LEAD digital kann ihren Blogger mehr Traffic bieten als die deutsche Huffington Post. Heute kam der meistgelesene Blog-Artikel der Huffpo auf 353 Views. Bei LEAD digital waren es 3.552.
  4. Liebe Verleger, warum schlagt ihr die Huffington Post nicht einfach mit ihren eigenen Waffen? Aggregiert Ideen und Inhalte, aber macht es anders als die Huffington Post. Macht es auf eure Art. Ihr könnt kostenlose Blog-Artikel ruhig weiter verachten – aber nur, wenn sie schlecht sind. Wenn sie aber gut sind, dann macht sie noch besser und ergänzt damit euer redaktionelles Angebot. Lasst die Huffington Post ruhig auf Artikel-Masse setzen, sorgt ihr für Klasse. Oder habt ihr diesen Anspruch schon aufgegeben?
  5. Do it youself. Wenn Hubert Burda für die Marke Huffington Post Lizenzgebühren zahlen möchte, wird er sich schon etwas dabei gedacht haben. Aber das ist nicht unser Problem. Warum er das Huffington-Post-Modell nicht einfach bei Focus Online umgesetzt hat und wieso er unbedingt Arianna Huffington dazu brauchte – keine Ahnung. Wir müssen das nicht wissen. Ich finde, die deutschen Medienhäuser schleppen schon genug historischen Ballast mit sich rum; sie brauchen nicht noch unbedingt eine amerikanische Lizenz aus dem Jahr 2005. Was Huffington kann, das können sie auch. Wenn sie nur wollen. Also, liebe Verleger: Nutzt das Blogger-Modell doch einfach für euch selbst. Entwickelt es weiter. Macht es besser. Sucht euch gute Autoren. Zahlt sie mit Aufmerksamkeit, wenn sie vor allem Aufmerksamkeit wollen und gebt ihnen Geld, wenn Schreiben ihr Hauptberuf ist. Ihr braucht keine Arianna Huffington. Ihr braucht nur gute Blogger. Und Journalisten, die mit ihnen zusammenarbeiten (aber die habt ihr alle schon).

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Huffington Post: Zurück in die Zukunft

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Das Internet der unnützen Dinge

  1. Hans Henke

    Hört sich gut an, ist aber wohl in der Verlagswelt von heute kaum denkbar. Das Verlegertum steht kostenmäßig so mit dem Rücken an der Wand, dass eine Refinanzierung in 12, maximal 24 Monaten erfolgen muss. In dieser Zeitspanne ist es aber nicht möglich, ein neuartiges Online-Format erfolgreich in den Markt zu drücken, selbst wenn die Autoren für umsonst arbeiten.
    Da ist das Buzzfeed-Modell schon realistischer: Mit Cat Content oder ähnlichem Reichweite produzieren und dann wachsen, wachsen, um schließlich von den Erlösen eigene Inhalte zu produzieren (oder journalistische Arbeitsstücke zu bezahlen).
    Das Problem bei der HuffPost ist doch genau ein Abbild der Verlagsprobleme. Da wird ein Boris Becker („ich muss aufhören zu Bloggen, die Buchmesse ruft“) mit inhaltlichem Trash präsentiert. Ein aussortierter Moderator hält sein Gesicht hin und ist auf der PK noch nicht mal URL-sicher. Dann sollen jetzt die Blogger gute Geschichten für lau liefern. Das Ding ist komplett als Billigheimer konzipiert.
    Vielleicht hätte die HuffPost mit einer ordentlichen Anschubfinanzierung wirklich eine Chance. So allerdings werden wir schon in ein paar Wochen nichts mehr von ihr hören.

    • frankzimmer

      @Hans Henke Ich glaube, die Investitionen sind gar nicht das Problem. Die Verlage müssen ja keine komplett neue Marken aus dem Boden stampfen. Sie haben ja schon ihre Medienmarken, und die können sie durch – Achtung, Betonung – redigierten Lesercontent ergänzen. Das ist vor allem eine Frage des Konzepts, weniger eine Frage des Geldes.

  2. MILATEXT

    Halte die Analyse und den Rat für reichlich naiv.
    1. Das HuffPo-Konzept kann immer noch aufgehen. Eine belastbare Zugriffsanalyse hat nach dieser kurzen Zeit niemand. Die Bild funktioniert mit ähnlicher Optik und Nachrichtenwertigkeit ausgezeichnet.
    2. Ob die HuffPo uns Medienleuten und Bloggern gefällt, kümmert überhaupt nicht. Rechnen muss es sich am Ende.
    3. Die Lizenz ist natürlich in erster Linie für die Marke bezahlt worden und amortisiert sich mindestens zum Teil durch den öffentlichen Wirbel ( weil es eben die HuffPo und nicht irgendein Verlagsexperiment XYZ ist) und die damit eingesparten Werbekosten.
    4. Last, not least: Egal welcher hiesige Verlag unter welchem Namen auch immer ein eigenes Portal nach diesem Mischkonzept aufgesetzt hätte, wäre ebenso prompt von der Medienszene abgewatscht worden – wir können doch gar nicht mehr anders … Nur hätte der Experimentator ohne die erwiesenermaßen erfolgreiche Marke HuffPo im Kreuz noch schlechtere Karten in der Auseinandersetzung.

    • frankzimmer

      @Milltext Sie können meinen Text gerne naiv finden, aber vorher sollten Sie ihn aufmerksam lesen. Ich behaupte nicht, dass das Huffpo-Konzept nicht aufgeht, wo steht das? Das ist auch nicht das Thema. (Wobei ich Ihren Vergleich mit der hochprofessionellen und bestens ausgestatteten „Bild“ ziemlich gewagt finde, aber o.k.). Ich verlange von der Huffpo auch nicht, dass sie Medienleuten und Bloggern gefällt, auch darum geht es hier nicht. Das ist alles schon von anderen Leuten und an anderen Orten ausführlich diskutiert worden. Das Thema meines Artikels ist, ob man für eine Huffpo-ähnliches Konzept in Deutschland die Marke Huffington Post braucht oder nicht. Ich glaube, ein deutscher Verleger braucht die Marke Huffpo nicht (was noch lange nicht heißt, dass sie hier nicht trotzdem funktionieren kann). Sie argumentieren hier nun mit der starken Medienmarke und dem „öffentlichen Wirbel“. Wenn die Marke hierzulande so stark und der Wirbel so wirksam wäre: Warum bekommt eine Website mit 750.000 PIs pro Tag ihre Blogger-Power nicht auf die Straße, warum kommen Blog-Artikel, die zum Teil sogar mitten auf der Homepage platziert werden (Obermann am Launch-Tag) innerhalb einer Woche noch nicht einmal auf fünfstellige Abrufzahlen? Trotzdem wünsche ich der Huffpo, dass sie funktioniert und profitabel wird. Sie ist ein Symbol für werbefinanzierten Online-Journalismus und wenn sie scheitert, dann wäre das ein verhereendes Signal für die gesamte Branche. Zu ihrem letzten Punkt: Spiegel hat mit Einestages.de doch längst ein ähnliches Gastautorenmodell an den Start gebracht und die Süddeutsche Zeitung betreibt Jetzt.de. Hat da die Medienszene, denen sie offenbar notorische Nörgelei unterstellen, aufgeschrien? Nein, hat sie aus gutem Grund nicht, weil diese Szene aufgeschlossener ist als Sie vielleicht glauben.

  3. Die „Huff“ mischt den Journalismus in Deutschland auf – weil es ihr an Qualität fehlt. Auch gut. Hauptsache, dass Bewegung in die Sache kommt. Die Zukunft des Online-Journalismus möchten wir schließlich nicht SPON oder derwesten.de überlassen.

    Um ein wenig Material für neue Konzepte zu sammeln, haben Eva Ihnenfeldt und ich eine Blogparade initiiert: “Die ideale Digitale – Wie ich mir eine perfekte Online-Zeitung vorstelle“
    http://www.steadynews.de/allgemein/blogparade-ideale-digitale-wie-ich-mir-perfekte-online-zeitung-vorstelle

    • Frank Zimmer

      @Michael Interessantes Projekt, danke für den Hinweis!

  4. Danke für einen sehr treffenden Blogpost ;-) Und ich finde ebenfalls, dass die Option „Selbermachen“ immer reizvoller wird und wir diskutieren hier bereits Alternativen. Denn Luft nach oben ist da derzeit mehr als ausreichend…

    • Frank Zimmer

      @Stefan Evertz Vielen Dank für den ermutigenden Kommentar. Ich glaube, dass mehr als eine deutsche Interpretation der Huffpo kommen wird. Vor allem bei B-toB-Medien, wo der Community- und Mitmachgedanke ja eigentlich in der Luft liegt….

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