Gestern fragte mich der Redakteur eines Fachmagazins, ob ich einen freien Journalisten wüsste, der über Social Media schreiben könnte. Nicht, dass der Redakteur mit dem Thema überfordert wäre. Der nicht. Er ist einer von denen, die man eigentlich klonen müsste. Aber es ist Urlaubszeit, die Redaktion ist noch enger besetzt als sonst und darum muss (und darf er ausnahmsweise) Aufträge an externe Autoren vergeben. Es gibt auch jemanden, den ich ihm empfehlen konnte.

Trotzdem beschäftigte mich die Frage: Warum gibt es eigentlich so wenige freie Journalisten, die von Social-Media-Expertise leben können? Noch vor zehn oder 15 Jahren arbeiteten um jedem größeren Fachtitel einen Kreis aus freien Autoren herum, die in ihrem jeweiligen Spezialgebiet gefragte Experten waren. Von existentieller Medienkrise war damals noch nicht die Rede, aber diese Freelancer taten damals genau das, was ihnen heute gepredigt wird: Inhaltliche Nischen besetzen, eigene Medienmarken werden. Und ausgerechnet bei einem Großthema wie Social Media soll das jetzt nicht funktionieren? Nein, es funktioniert wohl wirklich nicht. Wie auch? Viele Redaktionen geben kaum noch Aufträge heraus. Und wenn externe Journalisten geholt werden, dann ersetzen sie zu schlechteren Konditionen die bislang festangestellte Redakteure.

Der Fachautor im klassischen Sinne – extern schreibend statt intern redigierend, unabhängig von nichtjournalistischen Nebentätigkeiten – ist ein Auslaufmodell. Das zeigt das Beispiel Social Media. Hier sitzt die Kompetenz in den Agenturen und Unternehmensberatungen, kaum in den freien Redaktionsbüros. Und selbst die freien Journalisten, die über Social Media schreiben, arbeiten fast ausnahmslos auch als Social-Media-Berater. Übrigens auch der Kollege, den ich empfohlen habe.

Macht ihn das weniger kompetent? Nein.

Macht ihn das weniger glaubwürdig? Nur dann, wenn er seine Beratertätigkeit und damit verbundene Interessenkonflikte nicht transparent macht.

Ist das ein Verlust an traditioneller journalistischer Kultur? Ja.

Ist diese traditionelle journalistische Kultur noch zeitgemäß? Ich weiß es nicht.

Was weiß ich dann? Dass Kompetenz und Glaubwürdigkeit nicht von einem Presseausweis abhängen.