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Zu fast jedem Blog gehört die Ausrede, warum man ihn zwar angefangen, aber nicht weitergeführt hat. Meine Ausrede Begründung für den komatösen Zustand des 2008 gestarteten Blogs Markenrevue ist natürlich: „Keine Zeit“. Jeder hat „keine Zeit“ für sein Blog.

Im Rückblick  fallen mir noch zwei Punkte aus dem Lebenslauf ein, die für Eintritt und Vorruhestand von Markenrevue wichtig gewesen sein könnten. Als ich im März 2008 mit Markenrevue anfing, war ich Chef vom Dienst,  also vor allem mit Redaktionsmanagement beschäftigt. W&V Online war damals sehr stark newsgetrieben; die Inhalte stammten überwiegend von den Print-Kollegen. Das Blog bot mir die Möglichkeit, mehr selbst zu schreiben. Natürlich war ich auch neugierig auf das, was man damals „Web 2.0“ nannte. Und ein bisschen stolz, als turi2 die Markenrevue ein oder zwei Mal zitierte. Drei Jahre später, als der vorläufig letzte Blog-Beitrag erschien, war die Weiterentwicklung von W&V Online in vollem Gange. Ich durfte gemeinsam mit meiner Kollegin Christiane Treckmann (heute Redaktionsleiterin von LEAD digital) eine Online-Redaktion aufbauen, die neben schnellen News auch Hintergrund und Meinung brachte. Mittlerweile wird unter dem Dach von W&V selbst gebloggt, und unsere W&V-Blogwelt wird noch weiter wachsen. Aber zurück zur Markenrevue: Viele Artikel sind es nicht, die dort zwischen 2008 und 2011 entstanden. Hier eine Auswahl kühner Prognosen und Fehleinschätzungen. Erfrischend ahnungslos war dieser Satz über Lycos im Mai 2008:

Ich bin noch immer nicht dahinter gekommen, warum Lycos weiterhin in der Verlustzone umherirrt.

(im November desselben Jahes beschloss Lycos dann die Selbstaufllösung; sicher wusste man auch, warum).

Im Juli 2008 ging es um einen neuen Wettbewerber namens Meedia:

Ich habe mittlerweile die Beta-Version von Meedia.de gesehen. Die Seite ist weder der Inbegriff der digitalen Revolution noch der sichere Tod von Kress oder Turi. Aber ein durchaus interessanter Wettbewerber, da sollte man sich auch in Frankfurt nichts vormachen. Abgesehen davon gilt immer noch die alte Binse: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Wie wir heute wissen, galt die alte Binse wirklich. Meedia kam und wir sind trotzdem alle gewachsen: W&V, Horizont, Kress und natürlich Meedia selbst. Im August desselben Jahres (ich merke gerade, dass ich fast nur 2008 gebloggt habe), lag ich beim Thema E-Reader knapp daneben. Ich prophezeite nämlich, dass Sony in diesem Markt den Ton angeben werde, und nicht Amazon:

Gestalterisch ist der „Reader“ gar nicht mal so schlecht gelungen. Jedenfalls im Vergleich zum Rocket eBook, einem Plastik-Alptraum, der noch nicht mal im Boomjahr 2000 Erfolg hatte. Design ist auf diesem Markt alles, das zeigen das iPhone und die Quartalszahlen von Apple. Und Sony kann man in dieser Hinsicht mehr zutrauen als Amazon. Ich tippe also auf den „Reader“.

Dagegen würde ich den Beitrag zum Thema „Blogger sind auch nur Journalisten“ heute noch unterschreiben. Die Dmexco-Vorgängermesse OMD hatte im September 2008 eine Blogging Area eingerichtet, damals eine kleine Revolution. Mein Artikel stand unter der Überschrift „Auf dem Weg ins Presszentrum“:

Beinahe noch wichtiger als die üblichen „Messe-Trends“ finde ich die Blogging Area auf der diesjährigen OMD. Im PR-Trommelfeuer der letzten Wochen ging es fast unter,aber was die Igedo und ihr Partner Roccatune da vorhaben, hat das Prädikat Wertvoll mal wirklich verdient: Es gibt WLAN, Strom und Erfrischungen für akkreditierte Blogger.

Warum das ein Signal ist? Weil die Messe damit die Blogger de facto den Journalisten gleichstellt, auch wenn Big Spender Constantin Thyssen noch ganz anderes betont: „Da Blogger keine Journalisten sind, wollen sie auch nicht wie Journalisten behandelt werden“.

Warum Journalisten anders als Blogger behandelt werden sollten, verstehe ich übrigens nicht. Ich verstehe auch die ganze Diskussion zum Status von Bloggern nicht. Ein Blog ist nichts anderes als ein publizistisches Online-Format. Reden wir also nicht über Blogger und Journalisten, sondern einfach über gute und schlechte Online-Publizisten. Ich bin mir sicher, dass es in ein paar Jahren keine Blogger-Areas mehr geben wird. Die Blogger sitzen dann nämlich in den Pressezentren, denn da gehören sie in letzter Konsequenz auch hin.

So ist es dann zum Glück auch gekommen. Der damalige Gegensatz zwischen Journalisten und Bloggern ist heute kaum noch vorstellbar. Welch neurotische Formen er noch vor wenigen Jahren annehmen konnte, zeigt ein Beitrag aus dem Dezember 2008. Es ging um einen ziemlich verstörenden Kommentar von Richard Wagner in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Schneidig, schneidig, was Doktor Richard Wagner letzte Woche mit energischer Handschrift aufs Büttenpapier brachte und vom Redaktionsdiener in die Setzerei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ bringen ließ. In seinem Kommentar „Lauter Blogwarte“ rechnet der „FAS“-Redakteur und Ex-Bertelsmann-Kommunikator mal mit dem Web 2.0 ab. Erbarmungslos, versteht sich.

Blogger sind demnach Leute, „bei denen es zu einer Festanstellung leider nicht gereicht hat“ und die ein „Gewimmel von bloß Gemeinten, Halbgarem, von Pöbeleien, Befindlichkeiten und geistigen Feuchtgebieten“ verbreiten. Sie sind „arbeitsweltliche Asoziale“. „FAZ“-Blogger und „Netzökonom“ Holger Schmidt kann man da nur bedauern: Wer solche Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr.

Den Originaltext habe ich seinerzeit nicht verlinkt; wahrscheinlich lag er mir nur gedruckt vor. Heute würde man den Text natürlich einfach abfotografieren. Aber ich besaß damals noch kein Smartphone, sondern ein Print-Abonnent der „FAS“. Das hat sich dann ja auch noch geändert.